Pressespiegel
 Ethische Problemsituationen im Ingenieurberuf
 
 (Vortrag im RC Berlin, 31.10.2018


Ethische Problemsituationen im Ingenieurberuf
Prof. Dr.-Ing- Nicolas P. Sokianos

Liebe rotarische Freundinnen und Freunde, zunächst bedanke ich mich bei unserem Präsidenten und bei dem Programmdirektor für die Gelegenheit, über dieses Thema am heutigen Reformationstag sprechen zu dürfen.

Obwohl es heute einen starken Religions- Hintergrund gibt, hat mein Beitrag nur indirekt mit der Religion zu tun, auch nicht mit einer bestimmten, sondern eher mit der (edlen) Absicht, ethisch einwandfrei im Beruf agieren zu wollen. Das predigen meistens Religionen.

Als Ingenieur mit fast einem Jahrzehnt direkt im Management und anschließend mit mehreren Jahrzehnten als Hochschullehrer und Berater in der Industrie, verfüge ich über eine gewisse Kompetenz zu dieser Problematik, die speziell Ingenieure betrifft. Mein Vortrag ist also nicht allgemein gültig, sondern hat das Berufsbild des Ingenieurs im Fokus. Allerdings sind Reflexionen zu anderen Berufen durchaus möglich.

Typisch für die Ausbildung von Ingenieurinnen und Ingenieuren ist die Konzentration auf Fachwissen, auf Methoden, auf Problemlösungen, auf Produktentwicklung und auch auf Rationalisierung, auf technische Erfindungen, um einige Felder zu nennen. So genannte "weiche Faktoren", wie z.B. Teamfähigkeit und soziale Kompetenz, werden z.T in Arbeitsgruppen und in Projektarbeit mehr oder weniger intensiv vermittelt.

In den meisten Curricula gibt es allerdings keine Pflichtfächer, die sich mit Ethik befassen und auch in Wahlpflichtmodulen finden wir nur selten ein derartiges Angebot bei Hochschulen und Universitäten.
Wir wissen aber, dass der so genannte Berufseinsteiger - Schock den einen oder anderen Absolventen ziemlich hart trifft; sehr bald ist der junge Ingenieur mit Situationen in der Praxis konfrontiert, die schon als problematisch bezüglich der Ethik zu bezeichnen sind.

Ich möchte heute nur einige Beispiele nennen, um das Thema zu verdeutlichen, dies ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber mit der Absicht, meine 20 Minuten nicht komplett auszuschöpfen, so dass wir die Möglichkeit haben, anschließend die eine oder andere Facette zusammen diskutieren zu können.

Beginnen wir mit dem aktuellen Thema der Diesel-Motoren, das bereits der deutschen Wirtschaft schweren Schaden zugefügt hat: in monetärer Hinsicht aber auch in Bezug auf die Glaubwürdigkeit und die Moral der hoch vergüteten Chefs in den entsprechenden Unternehmen; einer sitzt im Gefängnis.

Hier stellt sich die Frage, ob der Ingenieur, der erkennt, dass eine bestimmte Technologie missbräuchlich angewandt werden wird, im Rahmen seiner Möglichkeiten intervenieren soll und wie er das anstellen muss, ohne seine Karriere zu gefährden.
Keine einfache Entscheidung, denn die Organisation in Industrieunternehmen ist der militärischen Hierarchie angelehnt, und lässt in der Regel wenig Möglichkeiten, wirksam Einsprüche zu formulieren.
Im Zweifelsfall kann man ja kündigen! Wertmaßstäbe setzen andere...?
Einige Unternehmen haben Führungsmaximen und Leitlinien definiert, die nützlich sind- sofern sie ernst genommen werden.

Das nächste Thema betrifft direkt die Entwicklung und Produktion von Waffen. Mag auch die Forschung an deutschen Universitäten an Waffenprogrammen nicht gefördert werden dürfen, findet sie dennoch statt, mitunter unter dem Label "Dual Use" Produkte- also für militärische und für zivile Bedarfe.

Ich möchte nicht einer pazifistischen und Utopie frönen aber Ingenieure sind schon mit der Frage konfrontiert, ob sie überhaupt in Unternehmen der deutschen Waffenentwicklung und Produktion tätig sein wollen oder eben nicht. Wir wollen nicht vergessen, dass die diesbezügliche Branche einen signifikanten Umfang am Bruttosozialprodukt Deutschlands einbringt.

Ein weiterer Fall soll die Sammlung der Problemsituationen anreichern: Ingenieure und Ingenieurinnen im Einkauf und im Vertrieb sind nicht selten Korruptions-Ansinnen ausgesetzt (aktiv und passiv), die mit der Erteilung eines Auftrages einhergehen; lange Jahre waren Schmiergelder -im Ausland gezahlt- vom deutschen Fiskus als Betriebsausgaben akzeptiert....heute ist es schwieriger geworden.


Szenenwechsel:

Als Fertigungs-Ingenieur wird man mit Gewissensbissen konfrontiert, wenn man gehalten ist, die Mitarbeiter in der Produktion weiter zu rationalisieren, etwa durch die Einführung von neuen Technologien oder schlicht durch die weitere Intensivierung der Arbeit. Und auf der anderen Seite hat VW eine zweistellige Milliarden-Summe bereits als Strafe in Faden USA bezahlt, als Folge von Fehlverhalten im Top Management.

Speed- Speed- Speed war das Mantra des ehemaligen CEO von Mercedes, Jürgen Schremp- der hat jede Kritik am Ansinnen abgewürgt, Chrysler zu übernehmen. Es gab nämlich Ingenieure, die kritisch waren- die "Bedenkenträger". Die glorreiche Übernahme wurde ein Milliardengrab - Schremp wurde gefeuert, bald auch sein Mentor von der Deutschen Bank!

Ich schließe die Palette der Beispiele mit dem schon berüchtigten und traurigen Fall des Flughafens BER, der seine achtjährige Verspätung zum ursprünglichen Inbetriebnahme-Termin erreicht hat; ein Projekt, wo auch viele Ingenieure tätig waren, die ( einige ) durchaus in Kenntnis der nicht einzuhaltenden Termine gewesen waren/sind; sie haben die Terminpläne selber geschönt...


=> Mängel an BER-Flughafen lange bekannt. Kabelschächte unter Wasser:
https://www.n-tv.de/wirtschaft/Maengel-an-BER-Flughafen-lange-bekannt-article20737658.html


FAZIT

Das Faktenwissen, die solide methodische Herangehensweise, die nüchterne Planung und Kalkulation, das Berufsethos sogar, die müssen beim Ingenieur häufig genug politischen Überlegungen, Zwängen und Interessen weichen, die nicht immer ethisch einwandfrei sind.

Rotary hat ja bereits bei seiner Gründung von P. Harris den Anspruch postuliert, im Geschäftsleben moralische Maßstäbe hoch zu halten, die in der damaligen schwierigen Zeit der Umbrüche letztendlich als die richtige Leitlinie angesehen wurden. Die Umsetzung erfolgt nicht nur über den Berufsdienst, sondern auch über die "vier Fragen Probe" in unserer Gemeinschaft- und zeigt sich im täglichen Agieren.

Zur Diskussion stelle ich nun die Frage, wie wir konkret, ethisches Bewusstsein und Verhalten unterstützen können, wie wir es praktisch handhaben können und ob das noch heute zeitgemäß ist.

VORTRAG IM RC BERLIN 31.10.18

Prof. Dr. Nicolas P. Sokianos

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Prof. Dr.-Ing. Nicolas P. Sokianos
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