Pressespiegel
 Hoshin Kanri vs. Balanced Scorecard
 
 (GfPMagazin September 2015


Hoshin Kanri vs. Balanced Scorecard
Prof. Dr.-Ing- Nicolas P. Sokianos

Auf dem diesjährigen Kongress "Production Systems", veranstaltet von ManagementCircle, sind verschiedene Themen intensiv vorgestellt und diskutiert worden, die unter dem Dach "Produktionssysteme" von Bedeutung sind. Die Bayer Pharma AG, vertreten durch den Leiter Supply Center Bergkamen, Dr. Stefan Klatt, hat die Methode Hoshin Kanri in ihren Grundzügen dargestellt und zwar so, wie sie erfolgreich am Standort Bergkamen (als Pilotwerk) eingesetzt wird.

Die japanische Methode regt die Neugierde an. Alles "Japanische" verkauft sich in Deutschland gut, wenn es im Dunstkreis von Toyota Produktionssystem auftaucht. Es lohnt sich allerdings schon, einen genaueren Vergleich zwischen Hoshin Kanri und der im letzten Jahrzehnt sehr erfolgreich propagierten Balanced Scorecard, der Amerikaner Kaplan und Norton zu ziehen. Um die BSC ist es bemerkenswert still geworden. Es mag an der Konzentration der Vertriebsrechte auf die Palladium Group liegen, die ist zwar auch in Deutschland bemüht, aber mit wenig Erfolg.
Die Balanced Scorecard hatte zunächst mit den vier Perspektiven (Finanz-, Kunden-, interne- und Innovationsperspektive), später erweitert um die Lieferanten-Perspektive (als Pentagon Scorecard/Sokianos) oder um die Shareholder-Perspektive, die systematische Betrachtung der Interdependenzen ins "Fadenkreuz" gerückt, die allzu oft von reinem Controlling-Blickwinkel der Finanzzahlen übersehen wurden.
Das Konzept von Kaplan und Norton wurde weltweit bekannt, einige Konzerne haben umfangreiche BSC-Konzepte implementiert und sie mit den verschiedenen Hierarchie-Ebenen verknüpft. Allzu große Veränderungen in Accounting gehen aber nicht ohne Komplexitätszunahme: Hunderte von Indikatoren (KPI/Key Performance Indicators) wurden notwendig und ließen die Kosten für ein systematisches BSC-Betreiben und Aktualisieren in die Höhe schnellen. Die Honorare von spezialisierten Beratern wuchsen, bis Aufwand und Nutzen nicht mehr in Balance waren. Die Balanced Scorecard ist an schlechter Ausbalancierung zwischen Nutzen und Kosten gestolpert. Schnell entwickelten sich Lean BSC Derivate, die jedoch bald den Namen des anspruchsvollen Konzeptes nicht verdienten. Denn eine Ansammlung von KPIs macht noch lange kein rundes BSC-System!

Schließlich hatte das ursprüngliche Konzept der Amerikaner eine wichtige Hürde noch zu nehmen: Es sollte TOP DOWN implementiert werden, also das Top-Management gewinnen, um mit der Strategie des Unternehmens schlüssig und nachhaltig verknüpft zu werden. Eine Profit-Center-Organisation und sehr selbstbewusste Leiter von Profit-Centern oder selbständigen Konzernteilen ließen sich ungern von der Zentrale ein System aufsetzen, für das sie auch noch bezahlen sollten.
So hat sich eine weitere Schwäche des globalen BSC-Ansatzes gezeigt: Die lokale Unternehmenspolitik ist nur sehr schwer in einem BSC-Gesamtkonzept abbildbar. Deswegen haben wir heute den merkwürdigen Fall zu konstatieren: Die BSC wird an Hochschulen und Universitäten gelehrt, es gibt eine Hülle guter Lehrbücher dazu, aber in der Praxis schwindet der Einsatz dieser Methode zunehmend. Hoshin Kanri weist als Methode Ähnlichkeiten zu BSC auf aber auch einige große Unterschiede:

  1. Sie legt sehr großen Wert auf ein systematisches Aufzeigen von Interdependenzen, also den Wechselbeziehungen zwischen den Maßnahmen der Geschäftsbereiche (oder Abteilungen), insbesondere auf der Ressourcen-Ebene.
  2. Sie hält sich nicht lange auf bei der "reinen Lehre" der Perspektiven, sondern geht pragmatisch auf Ziele los, die im Konsens vereinbart werden müssen.
  3. Sie hat keinen globalen Anspruch, lehnt ihn aber auch nicht ab! Das heißt, ein Werk kann Hoshin Kanri praktizieren, aber es muss nicht der ganze Konzern erst darauf eingeschworen werden!

Japanische Keiretsus, als verflochtene Konzerne mit Kapitalbeteiligung, greifen in subtilem Dirigismus, in japanische Lesart, sowieso zügig bei der Strategie durch, quasi in angeordneter Harmonie. Das reicht bis hin zu gefälschten Bilanzen, wie im Falle Toshiba im Juli publik wurde.

Wem die Systematik des Abgleichs von Zielen mit Maßnahmen irgendwie bekannt vorkommt, ja sogar aus der Vergangenheit der 80er Jahre, der liegt nicht verkehrt:
Management by Objectives (MBO), das amerikanische Konzept, das war das Original, was die Japaner in bewährter Art erst studiert haben, dann weiterentwickelt und adaptiert und mit einem neuen Namen versehen haben: Hoshin Kanri!



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