GfPMagazin März 2011


Themenauswahl:

Leitthema:After Sales Service
BME Kongress:45. Symposium Einkauf und Logistik
Knorr-Bremse:Standortentwicklung mit Wertstromdesign
Rückblick:Heilsame Wirkung der Finanz- und Wirtschaftskrise?
Standort:ESTLAND



Leitthema:

After Sales Service
Prof. Dr.-Ing. Nicolas P. Sokianos

Ein wesentliches Differenzierungsmerkmal im hart umkämpften Markt für hochwertige Investitionsgüter ist die Qualität und Effizienz des After Sales Service. Dieser Service umfasst selbstverständlich die Ersatzteilversorgung, aber nicht nur. Komplette Service Pakete, die auf die Belange des jeweiligen Kunden zugeschnitten sind, sichern den zuverlässigen Betrieb von Anlagen und Geräten, bieten Erweiterungs- und Modernisierungsoptionen und garantieren bei Bedarf Funktionalität und Qualität über die gesamte Produktlebensdauer.
Manch einer der Hersteller erzielt mit Abstand die höchsten Deckungsbeiträge über das After Sales Geschäft. Spezifische Preisstrategien führen dazu, dass die Anlagen z. T. zu Herstellkosten oder auch darunter angeboten werden, wenn sichergestellt werden kann, dass das profitable Service Geschäft mit beauftragt wird für die Dauer von z.B. fünf Jahren.
Doch wo ein lukratives Business sichtbar wird, dort finden sich auch ungebetene Gäste: Legal und illegal operierende Wettbewerber, die logistische und regionale Marktvorteile nutzen, um zu niedrigeren Preisen das Geschäft zu erobern. Zunehmendes Problem sind die Hersteller und Serviceanbieter, die mit Plagiaten operieren, also mit nicht legitimierten Nachbauten, die ohne große Skrupel das Logo des Herstellers nutzen, sowohl auf dem Produkt als auch auf Verpackungen. Die Abwehr derartiger Aggressoren ist nicht immer einfach und setzt ein systematisches Verfolgen des Produktes, der Handels- und der Vertriebskanäle voraus.
Einen besonderen Impuls und neue Herausforderungen als Absatzweg bietet das Internet. Ersatzteilfirmen tauchen auf und führen schnell die Niedrigpreis Hitliste an, fordern Vorkasse und liefern pünktlich oder auch nicht.
Diese sehr große "Qualitätsspanne" konnte vor wenigen Monaten im Winter bei Winterreifen beobachtet werden. Angekurbelt durch die neue Winterreifenverordnung und den harten und schneereichen Winter, sind sowohl die Preise als auch die Lieferengpässe deutlich nach oben katapultiert worden.
Die 1te Fachkonferenz zum After Sales Service ist erfolgreich im Dezember 2010 vom Verlag Moderne Industrie in Frankfurt am Main durchgeführt worden. Das angesprochene Referats-Spektrum reichte von Trends im After Sales Market (Dombrowski, Uni Braunschweig), Business Development (Doikas, Heidelberger Druckmaschinen), Nachserienversorgung Automobilelektronik (Janoùch, Bosch), Produktionssystem-Ersatzteilmanagement (Kolshom, MAN Nutzfahrzeuge) bis hin zur Lieferfähigkeit in lange Lebenszyklen (Sünneman, SIEMENS Rail) und zur Osterweiterung (Osterkamp, CLAAS Service).
Vorbei sind die Zeiten, wo das Ersatzteilgeschäft ein Mauerblümchen-Dasein fristete. Fokussiertes Marketing ist angesagt und wird intensiv und zielgruppenbezogen durchgeführt, so bei Robert BOSCH, Power Tools, die sich sowohl gegen preiswertere Konkurrenten, insbesondere aus Asien als auch gegen hochpreisige, wie Hilti, bewähren müssen.
Das exzellente Marketing, wie es von Steih, Vice President After Sales Service, Power Tools, präsentiert wurde, braucht eine sehr gute Service Center Organisation, kompetenten Reparatur-Service, Training am Produkt als auch in Vertriebsbelangen und nicht zuletzt eine differenzierte Kooperation in ausgewählten Regionen.


(Ohne IT kein ET-Service!; Foto: N. Sokianos)


Standardisierung von Teilen und Prozessen
Das Gedankengut von Lean Management hat seinen Weg in den After Sales Bereich längst gefunden. Aspekte von "Produktions- Systemen" sind bereits in die Service Welt implementiert und werden weiterentwickelt: Einer-seits durch Berücksichtigung der After Sales Anforderungen bereits bei der Produktentwicklung, andererseits durch Entwicklung von spezifischen Prozessen für den After Sales Service. Die unterschiedlichen Anforderungen können durchaus zu Zielkonflikten führen. So sind Lieferketten etwas Abstraktes, Lieferanten jedoch sehr konkrete Unternehmen, die durchaus auf eigene Rechnung den lukrativen After Sales Service bedienen wollen, erst recht, wenn der Einkauf des OEM juristisch derartige Ansinnen nicht verhindern kann, wie bei Automobil-Design-Teilen, noch die Originalität durch Muster mit Eintragung im Patentamt geschützt wird.
Die effektive Beherrschung der Standardisierung kann eben der Konkurrenz interessante Möglichkeiten bieten. Die relativ ungeschützte Handhabung von technischen Dokumenten bietet eine wunderbare und ungewollte "Entwicklungshilfe" (wir berichteten darüber im Leitbeitrag in der
Dezemberausgabe 2010).


(Grafik: Auszug aus der BMW-Ersatzteilliste R51/2 von 1960)


Die Zeit schafft Probleme bei der Elektronik
Vor besonderen Herausforderungen stehen die Materialwirtschaftler bei elektronischen Bauelementen, die in mehreren Branchen aufgrund des massiven Einsatzes von Elektronik und Mechatronik, eine immer wichtigere Rolle spielen. Spezialisierte Hersteller von Elektronik kündigen mitunter sehr unverhofft ganze Produktgruppen ab, mit der Folge, dass die Funktionsfähigkeit von Geräten und Anlagen aufgrund fehlender Ersatzteile, die ursprünglich in C-Wertsektor angesiedelt waren, jetzt um "Sein oder Nichtsein" entscheiden. Wenn der Lagerbestand aus betriebswirtschaftlichen Gründen niedrig gehalten wurde, ist eine Lieferung von Restelementen zum 10-fachen Preis über Bauelemente Broker evtl. zu erhalten. Die Entwicklung von neuen Baugruppen mit anderen Bauelementen scheidet meistens aus Kapazitäts- und Kostengründen aus. Dieses Problem dürfte in der Zukunft noch stark zunehmen. Preissteigerungen in sehr vielen Elektronik-Feldern werden unter Insidern aus China erwartet. Hier überlappen sich preistreibende staatliche Interventionen um die Verknappung von seltenen Erden mit Gehaltserhöhungen und mit einer Aufwertung des Remimbi. Lieferverzögerungen - gekoppelt mit Preissteigerungen - können das Leben der Einkäufer bereits im Jahr 2011 zusätzlich erschweren.


Risikobasierte Ersatzteilstrategie
Das hört sich sehr aufwendig an, ist jedoch angesichts der zunehmenden und sich wandelnden Risiken eine Methode die hilft, bessere Entscheidungen zu treffen. Die risikobasierte ET-Auswahl und Bestandsüberwachung zielt auf differenzierte Ermittlung des Risikos für jedes Teil und eine Zusammenfassung in Risiko-Clustern.

1. Festlegen der Risikoprioritätszahl für jedes (potentielle) Ersatzteil nach der Formel: Auswirkung x Häufigkeit x Wahrscheinlichkeit = Risiko RPZ.
Die RPZ hat theoretisch die Spanne von 1 bis 1.000. Ab wann ist das Risiko nicht mehr vertretbar? Hier helfen firmeninterne Regelungen aber noch mehr die Erfahrung und das Branchenbewissen sowie das Beurteilungsvermögen des Einkäufers oder des SCM-Spezialisten.


2. Bildung von 4 Risiko-Cluster (Segmentierung des gesamten Bereichs)
Cluster 1: RPZ < 5 (keine G.)
Cluster 2: RPZ 5-50 (mögl. G.)
Cluster 3: RPZ 50-500 (hohe G.)
Cluster 4: RPZ> 500 (sehr hohe G.)
(G. = Gefährdung)



3. Für jedes (potentielle) Ersatzteil Ableiten der Bevorratungsstrategie bzw. des sinnvollen Lagerbestandes in Form von Min-/Max-Beständen unter Berücksichtigung der Wiederbeschaffungszeit.


3.1 Einleitung der Wiederbeschaffungszeit in 4 Zeiträumen


3.2 Kombinierung Wiederbeschaffungszeitraumskennwert X mit Risikocluster


Disziplin zahlt sich aus
Ein schwieriges Kapitel im Vertrieb generell und im After Sales bzw. im Ersatzteil-Geschäft speziell, ist die Disziplin der After Sales Leute bei der Abgabe qualitativ korrekter und terminlich zutreffender Prognose-Daten, die für die Disposition in der Materialwirtschaft dringend benötigt werden.
Die Palette der Ausreden ist riesig; der Markt ist im Umbruch, die Kunden äußern sich nicht, die Konkurrenz verändert sich, die Zeit reicht dafür nicht aus, usw.
Es ist dann nicht verwunderlich, wenn der Einkauf in seiner Verzweiflung nach Gefühl oder Daten der Vergangenheit folgend ordert und prompt das Falsche auf Lager hat. Wer hier auf einen Quantensprung setzt, braucht sowohl geeignete Systeme, die den Forecast unterstützen, aber noch mehr kompetente Mitarbeiter im After Sales, die die Fähigkeit haben, das gesamte Business zu begreifen und diszipliniert zu agieren. Mehrere Unternehmen haben in der Zwischenzeit die Wichtigkeit erkannt und verstärken diesen Funktionsbereich personell sowie materiell.






After Sales Service: Kosten und Personal
Insbesondere der technische Kundendienst hat sich in der Wirtschaftskrise hinsichtlich seiner Kosten allgemein und speziell das Marketing in massiver Bedrängnis gesehen. An dieser Stelle ist es notwendig, sowohl die Kernaufgaben des Geschäftes in der Auslieferungs- und Nutzungsphase als auch in dem zeitlich vor dem Kauf liegenden Zeitraum zu verdeutlichen. Ist im Unternehmen der Funktionsbereich aktiv in die Entwicklung- und Konzeptberatung involviert, so ist er ein wichtiger Lieferant von Informationen und Ideen, die sich letztendlich in künftige Deckungsbeiträge umwandeln lassen. Eine prägende Rolle kann der technische Kundendienst konzeptionell bei MTBF (MeanTime Between Failure) und MTTR (Mean Time To Repair) Zielen spielen. Auf der anderen Seite muss er sich hinsichtlich neuer Absatzinstrumenten wie Betriebsnutzungsmodellen im "all-inclusive-Modus" öffnen und entsprechend organisatorisch und von der Kompetenz der Mitarbeiter her aufstellen.
Einen Engpass stellen qualifizierte Mitarbeiter dar, die den erhöhten Anforderungen auch gerecht werden. Hier sind in der Hochschul- und Universitätslandschaft in Deutschland im Zuge der Einführung von sehr differenzierten Bachelor- und Master-Studiengängen auch sehr interessante neue Ausbildungsgänge im Entstehen begriffen. Der Dialog zwischen dem Hochschulbereich und der Betriebspraxis zeigt durchaus Früchte. Eine gezielte Weiterbildung im Beruf dürfte jedoch unerlässlich sein. Traditionell werden hier außer Ingenieuren und Wirtschaftsingenieuren die klassischen Betriebswirte gefragt. Die Karriere-Perspektiven sind recht breit gefächert: Vom Serviceberater im Außen- oder im Innendienst über das Ersatzteilmanagement bis hin zum Niederlassungsleiter oder zum technischen Redakteur und zum Gewährleistungsexperten reicht das Spektrum und bietet auch in Nischen auch Quereinsteigern mit Kundendienstmentalität gute Chancen.

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BME Kongress:

45. Symposium Einkauf und Logistik
Prof. Dr.-Ing. Nicolas P. Sokianos

Im November des vergangenen Jahres wurde vom BME - abermals mit großer Resonanz - das jährliche Symposium in Berlin durchgeführt. Das gerne von Einkäufern und SCM-Experten besuchte Event hat unter dem Motto "Vertrauen gewinnt" stattgefunden.
Eine Fülle von sehr bemerkenswerten Vorträgen - sie reichten von Risiken in Low Cost Countries und deren Handhabung (Beitrag von Airbus) über die neue Resourcen-Strategie von BMW bis hin zu standardisierten- und automatisierten Prozessen im SCM. Die frühe Einbindung des Einkaufs in der technischen Projektierung ist ein "Evergreen" genauso wie das Outsourcing als Weg der Konzentration auf Kernkompetenzen der Kunden (Beitrag von PANOPA).
In Diskussionsforen konnten verschiedene Themen vertieft werden; hier sei ein Vergleich zwischen Indien und China aus der Sicht des Einkaufs genannt. Das Ergebnis: China gewinnt in den meisten Disziplinen, lediglich bei rechtlichen Aspekten hat es Nachteile gegenüber Indien. Mit großer Aufmerksamkeit wurde der Vortrag von Diess (BMW Einkaufsleiter) aufgenommen: Hier scheint das traditionsreiche und ingenieurgetriebene Unternehmen einen internen Kulturwandel zu durchlaufen: Die eigenen Produktionsstätten, etwa für Kunststoffteile, werden unter global Sourcing-Aspekten einem Benchmark unterworfen. Wenn die externe Konkurrenz deutlich besser ist, so bekommt sie den Zuschlag zu Lasten des internen Anbieters. So weit die Theorie; auch wenn sie nicht in vollem Umfang durchschlägt, so ist das Thema sicher einige hundert Millionen (Einsparungsvolumen) wert.
Im Forum Supply Chain Finanzierung fiel eine bemerkenswerte Aussage (Rose, Deutsche Bank): Wir leben heute im Wettbewerb von Supply Chains, nicht im Wettbewerb einzelner Unternehmen.

 
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Knorr-Bremse:

Standortentwicklung mit Wertstromdesign
Uwe Beaa


Nicht nur die neuen Werke, sondern auch bestehende Werke wie Knorr-Bremse Berlin richten ihre Prozesse neu aus. In verschiedenen Workshops haben sich Mitarbeiter aus der Produktion und aus unterstützenden Bereichen (Qualität, interne Logistik und Beschaffung) einem gemeinsamen Ziel verschrieben: Arbeiten im Wertstromdesign. Übergeordnetes Ziel des Projekts ist es, im Bereich der Scheibenproduktion die Produktivität um mehr als 30 Prozent zu steigern.

Alles fließt
Wertstromdesign bezeichnet eine Methode zur systematischen Gestaltung und Verbesserung der Produktionsabläufe. Alle Prozesse, von der Materialbereitstellung über Fertigung und Montage bis hin zur Auslieferung an den Kunden, sollen so miteinander Verknüpft werden, dass ein kontinuierlicher Fluss an Material und Information entsteht.

Hierfür wird zunächst mit einfachen Bildern und Symbolen direkt in der Produktion der Ist-Wertstrom aufgezeichnet (sog. "Current State Map"). Die verwendeten Symbole sind einfach gestaltet, so dass man den Fluss des Wertstroms auch ohne Vorbildung intuitiv verstehen kann. Im nächsten Schritt werden die Verbesserungsmöglichkeiten des Wertstroms aufgezeigt. Der reale Fabrikalltag verläuft nicht immer optimal: Lange Transportwege, Wartezeiten und Nacharbeit erschweren oftmals die Produktion. Im Einzelfall kommen unübersichtliche Material- und Informationsflüsse, eine hohe Typenvielfalt sowie komplexe, längst überholte Strukturen hinzu. Die Folge: lange Bearbeitungs- und Durchlaufzeiten, hohe Bestände und ein hoher Steuerungsaufwand.

Mit Leitlinien zum optimalen Design
Wie gelangt man nun vom Ist- zum Soll-Wertstrom (sog. "Future State Map")?
Hierfür bietet das Wertstromdesign Gestaltungsrichtlinien an, deren schrittweise Anwendung auf einen Produktionsbereich systematisch zu einem optimierten Design führt. Idealerweise verknüpft der Soll-Wertstrom alle Prozesse so miteinander, dass der entstehende Teilefluß möglichst nur an einer Stelle durch den Kundenbedarf gesteuert wird. Alle anderen Prozesse produzieren nur auf das Bedarfssignal dieses Schrittmacher-Prozesses, so dass Überproduktion vermieden wird. Zwischen den Teilprozessen des Wertstroms werden Auftragsgrößen und Weitergabemengen reduziert und standardisiert, um Durchlaufzeiten zu verkürzen. Kurze und stabile Rüstprozesse sind hierfür eine wesentliche Voraussetzung. Innerhalb der Prozesse liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Erkennen und Beseitigen der Ursachen für Fehler und Ausschuß, um Störungen im Produktionsfluß zu vermeiden.

Der mit Hilfe dieser Leitlinien erarbeitete Soll-Wertstrom wird ebenfalls in der einfachen Wertstrom-Symbolik dargestellt. Nach seiner Freigabe durch das Management beginnt die Umsetzungsphase. Schritt für Schritt werden die erkannten Verbesserungspotentiale im Rahmen von Team- und Projektarbeit erschlossen und flexible Produktionsflächen mit kurzen und zielgerichteten Materialflusswegen eingerichtet. Dies kann - je nach Aufgabenstellung - deutlich über ein Jahr in Anspruch nehmen und erfordert daher eine straffe Projektorganisation sowie eine klare Verpflichtung von Management und Mitarbeitern.
Insgesamt verspricht sich das Werk Berlin hiervon nachhaltige Wettbewerbsvorteile durch prozessorientierte Werkstrukturen. Eine geänderte Kundennachfrage oder geforderte Modifikation des Produkts lassen sich so reaktionsschnell, flexibel und preisgünstig umsetzen.


(KNORR-BREMSE)


Berliner Scheibenproduktion im Wertstromdesign
Seit Februar 2010 wird systematisch an der Berliner Standortentwicklung mit der Methode Wertstromdesign gearbeitet. Zunächst fand eine WorkshopPhase zur Ermittlung des Ist-Zustandes statt, inzwischen hat sich das Projekt zu einer umfassenden Restrukturierungsmaßnahme entwickelt. Für das kommende Jahr wird die stabile Produktion von 320 Geräten pro Tag angepeilt - das entspricht einer Produktivitätssteigerung der internen Bearbeitung um rund 33 Prozent. Um dieses Ziel zu erreichen, werden verschiedene Maßnahmen umgesetzt.

1. Synchronisierung aller Prozesse durch den Kundentakt
Das Verständnis des Kundentakts ist ein entscheidender Schritt für erfolgreiches Wertstromdesign. Der Kundentakt bestimmt sich aus der Nachfrage des Kunden. Er gibt die Frequenz an, in der die Kunden die Knorr-Bremse Produkte kaufen - beispielsweise wird alle drei Minuten eine Bremsscheibe aus dem Berliner Werk gekauft. Aus den geplanten Kundenabrufen ermittelt man den Produktionstakt. Mithilfe des Produktionstaktes (Gesamtzeit der Produktion, dividiert durch die gesamte Kundennachfrage in einer Periode) kann die Synchronisation der Herstellungsprozesse mit der Kundennachfrage umgesetzt werden. Bei der idealen Produktion arbeitet man ohne Wartezeiten - so entstehen keine Lager und keine Bestände. Darüber hinaus wird das Risiko der Überproduktion beseitigt.

2. Kontinuierlicher Materialfluss durch Linienstrukturen
Im Berliner Werk werden viele verschiedene Varianten von Produkten hergestellt. Im Vorfeld der Wertstromanalyse wurde deshalb das gesamte Spektrum in Teilbereiche gegliedert. Das Konzept der sogenannten Fertigungssegmentierung sieht vor, Technologien zur Bearbeitung einer Teilegruppe in einer Linie zusammenzufassen. So wird sichergestellt, dass kein Material die Zelle verlässt, bevor es komplett bearbeitet ist. Innerhalb dieser Zelle können Weitergabemengen reduziert werden - bis hin zum Einzelstückfluss. Durch die Aufteilung in einzelne Bereiche entsteht das Bild einer Produktlinienstruktur. Die Anforderungen seitens der Produktionslogistik werden anschließend im Layout-Workshop ergänzt. Wichtige Größen für die endgültige Version sind An- und Ablieferzonen sowie Supermarktflächen. Auch produktspezifische Maschinenkonzepte und ein Austausch von Produktionsanlagen werden in den Layout-Plan mit einbezogen.

3. Pull statt Push
Ein weiterer wesentlicher Einflussfaktor ist das Steuerungsprinzip "Pull" statt "Push". Wann immer es möglich ist, erhält nur der "Takt gebende" Prozess seine Steuerungsinformation über das herzustellende Produktionsprogramm und zieht die anderen Prozesse nach. Die Methodik Wertstromdesign gilt dabei auch für den administrativen Bereich. Im Berliner Werk werden so derzeit ganzheitliche Verbesserungsansätze untersucht und schnellstmöglich umgesetzt.

4. Kurze Rüstzeiten für schnelle Programmwechsel
Die kundenorientierte Produktion bei kleinsten Abrufmengen erzwingt häufige Produktwechsel - das erfordert eine hohe Flexibilität und kurze Rüstzeiten. Daher wurde auch ein Programm zur Rüstoptimierung umgesetzt. In einer durchgehenden Workshopkette sind gemeinsam mit den Mitarbeitern standardisierte Rüstabläufe und eine angepasste Rüstorganisation entwickelt. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Im Bereich Wuchten wurden beispielsweise Wegstrecken um bis zu 58 Prozent und Rüstaufwände um 35 Prozent reduziert. Gleichzeitig sorgt der Linienlogistiker für den reibungslosen organisatorischen Ablauf. Rüsthandbücher und Ablaufdiagramme machen den Prozess für jedermann transparent.

5. Neues Werkstatt-Management
Die neuen Abläufe müssen von allen Mitarbeitern verinnerlicht und umgesetzt werden. Zur Absicherung des bisher erzielten Erfolgs ist in Berlin die Einführung eines Werkstatt-Managements im Gang. In der mechanischen Fertigung werden seit März die Produktionsstückzahlen während einer Schicht fortlaufend als Kennziffer auf Tafeln direkt in der Produktion gezeigt. Dieses erste Element des Werkstatt-Managements ermöglicht jederzeit eine transparente Überprüfung des Produktionsstandes. Bei einer Abweichung können entsprechende Maßnahmen direkt pragmatisch besprochen und umgesetzt werden.

Ausblick in die Zukunft
Die Anfangserfolge zeigen, dass Berlin mit der systematischen Standortentwicklung mittels Wertstromdesign auf dem richtigen Weg ist. Bis Ende 2011 wird die komplette Umsetzung der Umstellung auf den optimalen Soll-Zustand dauern. Klare Priorität haben der Umbau der vorhandenen Produktionsanlagen sowie die Umsetzung der geplanten Maßnahmen. Themen wie visuelle Informations- und Steuerungsprinzipien oder die vorausschauende Anpassung der Kapazitäten werden begleitend zum Projekt weiterentwickelt. Die Zielrichtung ist klar: Der Standort Berlin wird im Sinne des Knorr-Bremse Production Systems (KPS) mithilfe der Wertstromdesign-Methode die Weichen für die Zukunft stellen.

 
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Rückblick:

Heilsame Wirkung der Finanz- und Wirtschaftskrise?
Prof. Dr.-Ing. Nicolas P. Sokianos

Während im Januar in den USA eine Kongress-Kommission ihren umfangreichen und zum Teil umstrittenen Bericht zu den Schuldigen der Finanzkrise präsentiert hat, manövrieren die Politiker in Europa um das Thema Staatsschulden herum.
Die Debatten werden sicher noch lange anhalten, geben jede Menge Stoffe für die Medien.
Wir stellen aber fest, "Die Krise hat vielen europäischen und speziell deutschen Unternehmen ganz gut getan!"
Mehrere Unternehmer haben den Mut gefunden, überfällige Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen, sich präziser auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren, Deckungsbeiträge von Produkten und Dienstleistungen sowie die Kalkulationen zu überdenken. Zugegeben, das Kurzarbeitergeld aber auch das Wirtschaftsförderungsprogramm der Regierung haben geholfen.
Die nächste Krise kommt bestimmt, unken einige Experten. Die wird - wenn sie kommt - auf flexiblere und wacher aufgestellte Unternehmen treffen. Und die Investoren, die mit kühlem Kopf an der Börse zu Ausverkaufskursen die richtigen Papiere gekauft haben, haben ihr Vermögen zum Teil verdreifacht. Alles bestens also? Nicht ganz; bei diesem Bereinigungsprozess haben viele Einkäufer, insbesondere aus der Automobilindustrie ihre ehrgeizigen Ziele ohne Rücksicht auf Verluste zu Lasten von kleineren Lieferanten erreicht. Insolvenzen sind die Folge bzw. ein weiteres reduziertes Eigenkapital.

 
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Standort:

ESTLAND
Prof. Dr.-Ing. Nicolas P. Sokianos


(Karte © public domain)

Estland ist die nördlichste der drei baltischen Republiken und grenzt im Norden und Westen an die Ostsee, im Osten an die Russische Föderation und im Süden an Lettland.

Statistik 2009
Bevölkerung : 1,3 Mio.,
Fläche: 45,226 qkm
Amtssprache: Estnisch, Russisch
BIP pro Kopf: 10.271 Euro
BIP-Wachstum, real: -14,1%
BIP nominal: 13,7Mrd. Euro
Ausländische Direktinvestitionen (netto): 0,2 Mrd. Euro
Anteil des Privatsektors am BIP: 80%
(Quellen: UniCredit Group, EBRD, Nordea)

Estland hat im Januar 2011 als 17. Land den Euro als Landeswährung eingeführt. Das kleine Land, genannt der "baltische Tiger", hat durch seine entschlossene Regierung einen harten Sanierungskurs der öffentlichen Finanzen gefahren. Einfach war das nicht, zumal in den Jahren 2001 bis 2008 eine Politik des leichten Kredits, getrieben von meist schwedischen Banken, praktiziert wurde.
So schossen in der Hauptstadt Tallinn die Immobilienpreise in die Höhe, ähnlich wie in Dublin und in Athen. Die hohen Wachstumsraten waren auf Pump finanziert. Im Winter 2008 verdüsterte sich das Bild, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor.
Lohnkürzungen von 20-30% sowie eine steigende Arbeitslosigkeit gingen einher mit einem Schrupfen des Bruttoinlandsproduktes auf minus 13,9 % in 2009.

Eine besondere Stärke hat das Land - außer im Durchhaltewillen seiner Bürger - in der Informationsindustrie zu bieten. Das Internet war in Estland sehr schnell verbreitet (drei Viertel aller erwachsenen Esten haben einen eigenen Internetzugang), da konnten auch kleine sowie größere Dienstleister das Unternehmertum praktizieren.
Für 2010 wird ein Wachstum von 1,2% prognostiziert, das Haushaltsdefizit liegt bei hervorragenden 2,2%.
Mit dem schnellen Internet geht auch Schnelligkeit bei der Firmengründung einher, in 18 Minuten, so die Werbung, kann in Estland eine Firma im Internet gegründet werden.
Im Jahresbericht 2008 des Economic Freedom of the world (
www.freetheworld.com), Frazer-Institut wird Estland auf Position 12 gelistet; (Hong Kong Nr. 1, Singapore Nr. 2, USA Nr. 6, UK Nr. 10, Deutschland Nr. 24, Griechenland Nr. 60, Slowenien Nr. 61).

Ein Nostalgie nach der Krone hat es gegeben - die Vorteile des Euro überwiegen.
Die Perspektiven der soliden Einbindung in den EU-Währungsraum dürften nicht nur Touristen, sondern auch In vestoren nach Estland bringen. Den Wechsel vom Rubel in die Krone haben die Esten nicht in angenehmer Erinnerung: Schon nach wenigen Monaten hat man mit dem Geld kaum etwas kaufen können. Mit dem Euro geht es besser.

Die ehemalige Hansestadt Tallinn liegt 80 Kilometer südlich von Helsinki. Ihre Altstadt gehört zu den am besten erhaltenen mittelalterlichen Stätten Europas und wurde 1997 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. 2011 ist Tallinn europäische Kulturhauptstadt und sicher eine Reise wert!

Weitere Informationen zur wirtschaftlichen Entwicklung finden Sie auf der Website der Deutsch-Baltischen Handelskammer in Estland, Lettland und Litauen unter www.ahk-balt.org sowie bei der Wirtschaftsförderung Estlands (www.investinestonia.com).
Weitere interessante Links: www.auswaertiges-amt.de, www.baltikuminfo.de

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