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Leitthema:
Effizienz und Innovation im Kapazitätenmanagement
angesichts der "Krise 2.0" oder: Business as usual?!
Prof. Dr.-Ing. Nicolas P. Sokianos
Eine Begriffserläuterung ist zu Beginn dieses Beitrags angesagt. Krise 2.0 ist ein erfundener Begriff, der die letzte große Finanz- und Wirtschaftskrise als Ausgangspunkt mit "Krise 1.0" verwendet und die nächste Krise desselben oder noch größeren Ausmaßes wie die, durch die Lehmann Pleite ausgelöste Krise, mit "Krise 2.0" definiert.
Den Anlass für diesen Beitrag hat der deutsche Finanzminister, Dr. Schäuble, gegeben. Er hat im Rahmen des diesjährigen VDMA Kongresses in Berlin bezweifelt, dass die europäische Krise vorbei wäre. Prompt hat die deutsche Börse am selben Tag mit Abschlägen reagiert.
Dabei waren die Vorboten, sogenannte "Frühindikatoren", einer aufkeimenden Wirtschaftskrise in Deutschland bereits im Sommer deutlich sichtbar (siehe "Brennpunkt" in der September-Ausgabe des Magazins). Die Situation hat sich seitdem deutlich verschlechtert. Dies signalisiert auch der Geschäftsklima-Index, der in Folge zum sechsten Mal gefallen ist. Der Konsumklima-Index gibt sich dagegen robust. Dies ist kein Widerspruch. Die Konsumenten geben bei entsprechenden Umfragen eher gefühls- und nachrichtenbetonte Kaufstimmungen wieder. Der Ifo-Index wird von den Befragten in leitenden Positionen in der Wirtschaft geprägt. Diese haben einen weiteren Industrie-Horizont als die Konsumenten.
Im diesjährigen VDMA Kongress (Maschinenbau-Gipfel) war die Tonlage nicht so optimistisch, wie z.B. im letzten Jahr. Insbesondere in kleineren Gesprächskreisen, in den Pausen, sind die Sorgen dieser überdurchschnittlich robusten Branchen unüberhörbar gewesen. Die Veranstalter des Kongresses selber (VDMA, SVV - Süddeutscher Verlag Veranstaltungen GmbH) nehmen im Jahr 2013 eine Auszeit, der nächste Deutsche Maschinenbau-Gipfel findet erst wieder 2014 statt.
Produktivitätsverbesserungen/ Kapazitäten
Als ein sehr nachhaltiger Trend hat sich das Thema "Lean" in all seinen Facetten erwiesen. Diese Welle ist seit Anfang der neunziger Jahre intakt und wurde 2009/2010 noch einmal deutlich verschärft. Nach meiner Schätzung sind allein in den letzten drei Jahren Produktivitätssteigerungen von ca. 30% in verschiedenen (gut geführten) Unternehmen in Summe erreicht worden.
Nur ein Teil davon ist durch Kapazitätsreduktion absorbiert worden; mindestens die Hälfte der Verbesserung sucht die Umsetzung in höhere Absatzvolumina bzw. in besseren Konditionen und Preisen für die Produkte und Dienstleistungen. Die Absatzmöglichkeiten in den asiatischen und in den amerikanischen Staaten sowie in BRIC Ländern haben der deutschen Wirtschaft geholfen aus dem Einbruch der letzten Wirtschaftskrise herauszukommen. Die Überschuldungslage der öffentlichen Haushalte Europas hat aber in der Zwischenzeit einen Stand erreicht, der durch Exportoffensiven außerhalb Europas nicht abgefangen werden kann. So legt das Daimler-Benz Management eiligst ein Spar-Programm auf, das besser als Sanierungsprojekt bezeichnet werden sollte (ca. 3 Milliarden €). Die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2001 wurde gekündigt. Man hat die Produktion an den Standorten München und Salzgitter im November für eine Woche ruhen lassen; 15.000 Mitarbeiter werden in den Urlaub geschickt. Zwei weitere Wochen sind über Weihnachten und Neujahr im Gespräch, dies um Entlassungen der Stammbelegschaft zu vermeiden. Arbeitszeitkonten werden abgebaut, die geplante Flexibilität hilft. Im August war bereits die Produktion zeitweise auf eine Schicht reduziert worden. Das ist nicht verwunderlich, da komplette Fuhrpark-Flotten von Speditionen stillgelegt oder verkauft werden.
Im Pkw-Markt sind die Zahlen nicht überall besser. Eigenzulassungsquoten von 40% und mehr sowie sehr starke Rabatte auf den Neupreis (über 20%) übertreffen das Jahr der Krise 1.0. Der französische Staat sieht sich gezwungen, EU-kompatible Hilfen anzubieten. Die PSA Werke sind nur zu etwa 65% ausgelastet, Tendenz fallend. Dafür liegt die Cash-Burn-Rate bei 200 Millionen Euro monatlich, die Marktanteile schrumpfen. Der Break Even Point muss mit einem niedrigeren Absatzvolumen erreicht werden, das sagt schon die Betriebswirtschaftslehre. Die dazu erforderlichen Maßnahmen sind jedoch schmerzhaft umstritten und können durchaus zu Entwicklungs- und Vertriebsabsatzschäden führen. Das weiß auch FORD und verkündet die Schließung von mehreren Werken in Europa, wo für 2013 ein Minus von einer Milliarde Euro befürchtet wird. FORD war, wie wir wissen, der einzige der großen US-Hersteller, der in der Krise 2008/2009 keine Rettungshilfsgelder des Steuerzahlers erhalten hat, im Gegensatz zu GM und Chrysler.
Hilferuf an die Politik
Der Ruf nach einer neuen, verbesserten Runde des so hilfreichen Kurzarbeitergeldes wurde im Herbst wieder laut. Die gesetzliche Bezugsfrist beträgt 6 Monate und kann durch entsprechende Verordnung des Arbeitsministeriums verlängert werden. Dieses - von der deutschen Regierung im Zuge der Bewältigung der Krise 1.0 eingeführte Kurzarbeitergeld - hat sich gemeinsam mit dem Programm zur Verbesserung / Erhaltung der Infrastruktur als eine kluge und entschlossene Handlung erwiesen, die tatsächlich Deutschland eine Verbesserung der Wettbewerbsposition eingebracht hat. Dagegen sind die entlassenen Arbeitnehmer in den von der Krise gebeutelten MittelmeerStaaten nicht mal mit einem existenzsichernden Sozialgeld versehen, geschweige denn mit einem joberhaltenden Kurzarbeitergeld-Paket. Gut für Deutschland, kann man sagen, schlecht für Griechenland, Italien und Spanien, die mit Arbeitslosenzahlen von ca. 25% (unter den Jugendlichen 50%) zu kämpfen haben. Leider sind die Interdependenzen in einer verflochtenen, globalisierten Welt sehr groß, zudem das gemeinsame EU-Bankensystem getrost als tiefst marode bezeichnet werden kann (die deutschen Banken sind nicht ausgenommen). In der Tat schlummert hier die größte Gefahr für das Ausbrechen einer Krise 2.0: Im EURO-Bankensystem, das nur zögerlich unter einer Koordinierung und Überwachung der EZB im Laufe des Jahres 2013 gestellt wird, aber diese Behörde muss erst mal eingerichtet werden. Ihre Wirksamkeit ist ungewiss. Die Beschäftigungsabsichten trüben sich für 2013 deutlich ein (siehe Abbildung).
Innovation als Retter?
Die großen Treiber der Wirtschaft sind drei:Ein kleiner historischer Rückblick ist hilfreich, um die heutige und morgige Situation besser einzuschätzen. Überkapazitäten waren in Europa und in den USA Anfang der 90er Jahre eine Gefahr, Rezession machte sich breit. Aus dieser mißlichen und durchaus bedrohlichen Lage hat die New Economy geführt. Angestachelt durch billiges Geld (gesteuert über Alan Greenspan, den Chef der FED) ist die Phantasie um die Chancen der webbasierten Unternehmen und darüber hinaus der IT-Branche davongaloppiert.
- die Unternehmen,
- die öffentlichen Haushalte und
- die privaten Konsumenten.
Es ist sehr viel "funny money" geschaffen worden, angefacht um die Gefahr des Zusammenbruchs der weltweiten IT-Systeme durch den Jahrtausend-Wechsel, der meist nicht einprogrammiert war. Al Gore, der Vize-Präsident der USA, war hier der Protagonist. Die New Economy Blase ist geplatzt, profitiert hat jedoch wer überlebt hat und die "Old Economy". Die sich daran zeitlich angeschlossene China Euphorie hat der Weltwirtschaft weitere große Impulse gegeben.
Die privaten Verbraucher schließlich haben die 3G Kommunikation mit massiven Käufen weltweit befeuert, sehr zur Freude von Apple, Samsung und Co. und Tausenden von in diesem Feld tätigen Unternehmen.
Dieser Trend hält an, schon spricht man von web 4.0. Hier finden wir schon die intelligente Produktionsanlage, die selbständig ihren Wartungsdienst ruft, wenn ein Ausfall droht. Ebenso das Regal im Handel, das selbständig seinen Nachschub disponiert. Das alles führt zu einer weiteren Steigerung der Produktivität und somit indirekt zu Überkapazitäten. Die Konsumenten sind aber etwas zögerlich, weiter teure Geräte zu kaufen. Die Welle ebbt ab.
Was tun? Es ist in der Zwischenzeit nicht nur unter Insidern sicher, dass die weltweiten Schulden nur dann nicht "explodieren", wenn die europäische Krise unter Kontrolle gehalten werden kann. So ist auch der Kurswechsel der Bundesregierung zu erklären, Griechenland doch zu retten. Nach einer Studie des Prognos-Institut (im Auftrag der Bertelsmann Stiftung) beträgt das weltweite Risiko-Potential einer von Griechenland, Italien oder Spanien ausgelösten Kettenreaktion 17.000 Milliarden Euro, 17 Billionen also. Dies würde eine weltweite Wirtschaftskrise auslösen. Ich habe sie Krise 2.0 genannt. Es ist nicht lustig, mit derartigen Szenarien zu arbeiten. Notwendig ist es aber, Budgetpläne auch unter so einem Szenario zu beleuchten. Ansonsten erscheint die Erlangung einer neuen Kompetenz für produzierende Unternehmen wichtig: die Fähigkeit, ruhig und entschlossen mit den aus Finanzkrisen generierten Volatilitäten umzugehen Modus: Business as usual in der Krise.
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Kongressbericht::
29. Logistik-Kongress der BVL in Berlin
Prof. Dr.-Ing. Nicolas P. Sokianos
Unter dem Motto "Exzellent vernetzt" hat der diesjährige Deutsche Logistik-Kongress der BVL in Berlin stattgefunden. Im Rahmen dieses Kongresses wurden sowohl neue Trends aufgezeigt als auch bewährte Lösungen aus dem Betrieb verschiedener Branchen gezeigt. Schließlich wurde auch der Vorstellung von sehr guten Abschlussarbeiten aus dem Gebiet des akademischen Nachwuchses ausreichend Raum gegeben. Wir stellen an dieser Stelle einige Schwerpunkte vor.
Die Bedeutung und Verantwortung der Politik für eine effizient operierende Logistik hat der Verkehrsminister Ramsauer (CSU) dargestellt. In Deutschland sind Investitionen in der Infrastruktur in sehr signifikanter Größenordnung bereits in Realisierung (Häfen, Bahn, Straße), wobei der Erhaltungsinvestition ein zunehmender Anteil zugewiesen wird. Durch die Verbesserung der Bahnverbindung zwischen Deutschland und China (über Russland), wird die Kapitalbindung auf der Schiene (das rollende Lager) reduziert. Die Erfolge sind schon beeindruckend. Per Bahn ist die Verbindung Deutschland (Leipzig) - China in 24 Tagen deutlich schneller als mit dem Schiff, wo 43 Tage erforderlich sind. Am Projekt war BMW mitbeteiligt; das Unternehmen will auf diesem Weg seine Präsenz in China verbessern, ohne den Standort Deutschland zu vernachlässigen. Der Lohnkostenvorteil ist für den Produktionsstandort China nicht der entscheidende Faktor, sondern die Erschließung des riesigen Marktes, der immer noch starke Zuwächse generiert.
Allerdings: Die Güterzüge fahren nicht leer aus China zurück, sondern voll mit Zulieferteilen aus chinesischer Produktion, die den deutschen Mittelstand weiter unter Preisdruck setzen!
Neue Technologien erfordern neue Logistik-Konzepte
Apropos Elektromobilität. Trotz einer gewissen Zurückhaltung der Kunden zum Einstieg in die Elektromobiltät, gehen die Vorbereitungen der Hersteller für die Massenbereitstellung weiter. Die Arbeitsteilung steht unter dem Primat der Erreichung der "Economies of Sales". Aus diesem Grund wohl stellt BMW seine CFK Karossen für zwei Elektro-Autos in Japan her, deren Weiterverarbeitung findet in den USA statt und die Montage in Deutschland (Standort Leipzig). Ohne eine exzellente Logistik würde ein derartiges Vorhaben nur ungeplante Mehrkosten produzieren. Sicher, für die eigentliche Carbonfaser-Technologie ist nicht die Logistik zuständig, sondern die entsprechenden Produktionsabteilungen von SGL; das Unternehmen gehört zum Quandt-Konzern wie BMW auch.
Urban Technologies, Urban Logistics
Ohne Zweifel gibt es einen Trend zur urbanen Massenzentren, zu Mega Cities, insbesondere in Asien. Die logistische Versorgung dieser gigantischen Metropolen, aber auch deren Entsorgung, wird künftig noch mehr in den Mittelpunkt der logistischen Aufgaben rücken als dies heute ohnehin der Fall ist.
In diesem Kontext gewinnt die lokale Produktion an Bedeutung, die Globalisierung verändert sich (siehe hierzu AK Berlin Brandenburg 2013).
Schifffahrt
Die Branche ächzt unter zu geringen Margen, einige Unternehmen können ihre Finanzierung nicht mehr stemmen, Konkurse sind Chancen für die überlebenden Konkurrenten, die die Schiffe relativ preiswert aus der Konkursmasse kaufen können. Unter derzeitigem Kostendruck gestellt, fordern die Reeder sehr effiziente Verladeterminals sowohl in der Binnschifffahrt als auch in Überseehäfen. Trotz des unbestrittenen Siegeszuges des Containerschiffes gibt es genug herausfordernde logistische Aufgaben, die mit Spezialschiffen sowie mit Stückgut-Frachtern bewältigt werden. All diese Aufgabengebiete verlangen motivierte Mitarbeiter, gern mit Spezialisierung in Logistik und mit einem Abschluss als Wirtschaftsingenieur. Die Ergebnisse einiger prämierter Arbeiten wurden dem interessierten Fachpublikum von der BVL unter der Unterstützung des Service-Anbieters 4 Flow vorgestellt. Dabei fällt es auf, dass sich immer mehr Abschlussarbeiten mit dem Thema Ökologie befassen. Gibt es einen Widerspruch zur Ökonomie? Durchaus, wie am Rande einer Präsentation unter den Teilnehmern im Fachpublikum kontrovers diskutiert wurde.
Cloud Logistics
Seit vielen Jahren fördert die renommierte Kühne & Nagel Stiftung den wissenschaftlichen Logistik-Nachwuchs - so auch gezielt auf diesem Gebiet - über die BVL. Im Juni dieses Jahres hat ein spezieller wissenschaftlicher Kongress in Hamburg hierzu stattgefunden. (Coordinated Autonomous Systems). Die Kernaussage: Service wird eine Commodity, Standardisierung der IT ist ein Muss, die primär für die mobilen privaten Nutzer geschaffenen Netze werden zunehmend von den Unternehmen entdeckt und für Logistik- Problemlösungen und Services angeboten.
Sehr diffizil ist die Frage nach der systematischen Kontrolle in IT-Netzwerken. Ob die Google Cloud oder die Telecom Cloud besser ist, ist nicht immer einfach zu beantworten.
Widersacher zur Cloud gibt es auch; das sind zum einen die Praktiker in der Produktion, die wieder mal gravierende Ausfälle der Zentralen-Systeme befürchten. Sie müssen aber wie versprochen produzieren und liefern, zum anderen sind das generell diejenigen, die das ganze Internet-Geschehen unter dem Aspekt der Datensicherheit sehr kritisch bewerten.
Afrika
Auf Initiative des langjährigen Vorstandes der BVL, Prof. Dr. Helmut Baumgarten, ist im Rahmen des diesjährigen BVL-Kongresses ein Schwerpunkt Afrika eingebracht worden, um die Chancen und Herausforderungen, die in diesem Kontinent gegeben sind, besser zu beleuchten.
Die Chinesen haben die Bedeutung von Afrika längst erkannt und sind an mehreren Standorten sehr stark und nachhaltig engagiert.
Weitere Infos finden Sie unter: www.bvl.de
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Thema::
Montage-Arbeitsplatzgestaltung
Planung - Umsetzung - Evaluation
Prof. Dr.-Ing. Nicolas P. Sokianos
Der Studiengang Maschinenbau-Produktionstechnik an der Beuth Hochschule für Technik Berlin bereitet die Studierenden auf ein zukunftsorientiertes Arbeitsumfeld in der Industrie vor. Im 7. Semester wird ein 10- wöchiges Unternehmenspraktikum absolviert und im Anschluss daran die Bachelorarbeit verfasst.
Im Rahmen der Abschlussarbeit hat der Autor einen Produktionsbereich in der Messtechnikfertigung der MSA AUER GmbH aufgrund eines Produktwechsels neu geplant. Hierbei wurde das theoretische Fachwissen aus dem Studium in der Praxis angewandt und so ein Mehrwert für das Unternehmen geschaffen und erste Berufserfahrung von dem angehenden Ingenieur gesammelt. Für das auf drei Monate angesetzte Projekt mussten zuerst das Produktionsprogramm und die durchzuführenden Fertigungsschritte analysiert werden, um daraus den Montageablauf abzuleiten. Gefertigt werden hochqualitative Gasdetektoren für den Einsatz in der chemischen und petrochemischen Industrie sowie im gas- und stahlverarbeitenden Gewerbe (Bild 1).
Bild 1: Serie 47K Gasdetektor Auf Grundlage der zu fertigenden Stückzahlen wurde die Größe des Arbeitssystems auf zwei Montagearbeitsplätze im Einschichtbetrieb ausgelegt und die Auslastung berechnet. Anschließend wurden drei unterschiedliche Layoutvarianten erstellt, welche verschiedene Vor- und Nachteile besaßen. Bei der Planung wurde besonderes Augenmerk auf die Flexibilität des gesamten Arbeitssystems gelegt, um zu einem späteren Zeitpunkt einen schnellen Produktionsprogrammwechsel durchführen zu können. Zu diesem Zweck wird der Sekundärbedarf auf ortsveränderlichen Materialwagen bereitgestellt, welche einfach ausgetauscht werden können.
Mittels einer Nutzwertanalyse wurde die Vorzugsvariante ermittelt, welche neben der höchsten Flexibilität und dem kürzesten Materialfluss auch die ergonomischen Anforderungen am besten erfüllte. Durch eine Mitarbeiterbefragung konnten bis dato aufgetretene Mängel und körperliche Überbelastungen an den Arbeitsplätzen aufgedeckt und im neuen Layout vermieden werden (Bild 2).
Bild 2: Arbeitssystem mit 2 Montagearbeitsplätzen Ausgehend von den unregelmäßig eingehenden und unterschiedlich großen Fertigungsaufträgen wurde das One-Piece-Flow-Prinzip an die speziellen Umstände angepasst und durch die Integration von sog. IPKs (In-Process-Kanban) die Durchführung der Arbeitsaufgabe von einem oder bei Bedarf von zwei Mitarbeitern ermöglicht. Beide Arbeitsplätze sind nach der 5S-Philosophie gestaltet und insbesondere die Material- sowie Werkzeugbereitstellung wurde durch die Anfertigung von sog. Shadowboards signifikant verbessert. Als Projektabschluss wurde das Arbeitssystem anhand eines 5S-Auditbogens evaluiert und anschließend an die Produktion übergeben.
Autor: Stephan Leu
Betreuer:
Prof. Dr. Nicolas Sokianos
Dipl.-Ing. Matthias Bürger
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Intelligente Belieferungsmodelle im Projektgeschäft
Susanne Müller, Logistics Strategy, Innovation and Reporting, R/SC1.1
1. Die Herausforderung
Die Knorr-Bremse steht als Zulieferer in der Schienenfahrzeugindustrie vor einer besonderen Herausforderung. Unter Berücksichtigung von höchsten Kunden- und Sicherheitsanforderungen werden Kleinstserien für ein weltweites Projektgeschäft hergestellt. Kunden, Lieferanten und Knorr-Bremse selbst agieren stark zunehmend international. Die Märkte, insbesondere Wachstumsmärkte in Fernost sind zudem stark volatil. Aus dem Projektgeschäft ergeben sich auch in der Beschaffung Besonderheiten, die im Gegensatz zu einem Seriengeschäft großer Automobilhersteller stehen. Der Unterschied zwischen Automobilindustrie und Schienenfahrzeugindustrie veranschaulicht bereits die Zahl der produzierten Einheiten. Im Jahr 2011 haben Volkswagen 8,4 Mio. und Toyota 7,9 Mio. Fahrzeuge weltweit hergestellt. Dagegen wurden im selben Zeitraum weltweit nur 220.000 Güterwagen, 4.700 Lokomotiven und 4.800 Metrofahrzeuge gefertigt. Im Schienenfahrzeugbereich gehen wir daher in der Regel von einem Projektgeschäft, mit geringen Stückzahlen bei langen Laufzeiten von bis zu 5 Jahren aus. Dem Entwicklungsanteil wird bei Knorr-Bremse eine hohe Bedeutung beigemessen. Trotz überschaubarer Mengen, sind die Anforderungen an Qualität und Sicherheit extrem hoch. Allein die Produkte der Knorr-Bremse bewegen auf der Schiene täglich mehr als 1 Mrd. Menschen.
Neben höchster Sicherheitsstandards, die sich in einer Zero Defect Politik ausdrücken, haben sich die Anforderungen der Fahrzeugbauer und -betreiber auch an die logistischen Fähigkeiten ihrer Zulieferer erhöht. Zum Beispiel wird höchste Flexibilität bei Bedarfsschwankungen erwartet, ein immer kürzer werdender Fixierungshorizont bei Lieferplänen sowie generell kürzere Lieferzeiten. Trends aus der Automobilindustrie erhalten definitiv Einzug in die Schienenfahrzeugindustrie. Zum Beispiel wurden die Anliefertermine für Zulieferer vor einigen Jahren noch in Wochen vorgegeben. Jetzt wird eine taggenaue Anlieferung erwartet. Jedoch ist die Schienenfahrzeugindustrie noch weit von sequentieller Anlieferung im Stunden-, Minuten- oder Sekundentakt entfernt.
Die Herausforderung für Knorr-Bremse besteht darin, diese kundenseitigen Anforderungen mit Hilfe einer teils sehr komplexen Supply Chain zu erfüllen. Neben ca. 30 produzierenden Werken der Knorr-Bremse Rail Group, noch dazu stark miteinander verflochten, gehören ca. 1.900 Lieferanten in 35 Ländern zum weltweiten Supply Chain Netzwerk. Knorr-Bremse erwartet natürlich ebenfalls von seinen Lieferanten hohe Qualität und Flexibilität. Jedoch ergeben sich auch weitere Hürden, die zusammen mit den Lieferanten überwunden werden müssen:
- Technisch anspruchsvolle Teile müssen trotz kleiner Mengen hohen Qualitätsansprüchen genügen. Zum Beispiel existieren selbst im C-Teilespektrum eine Vielzahl von zeichnungsgebundenen Teilen.
- Viele Lieferanten haben ein geringes Logistik Know-how.
- Viele Lieferanten müssen gleichzeitig mehrere Werke beliefern, die individuell verschiedene Anforderungen stellen können.
2. Die Lösung
Um diesen Herausforderungen auf der Beschaffungsseite zu begegnen, verfolgt die Knorr-Bremse zwei Hauptansätze. Zum einen wird auf einfache und effiziente Belieferungsmodelle und Tools gesetzt, die seit ihrer erstmaligen Einführung im Jahr 2006 konsequent weiterentwickelt wurden. Sie werden bei Knorr-Bremse als InSupply-Modelle bezeichnet. Zum anderen werden die Zu-sammenarbeit und der Wissensaufbau bei und mit den Lieferanten intensiviert. Durch beide Ansätze werden überwiegend operative Zielsetzungen angestrebt, wie folgende Beispiele konkret zeigen:
- Reduzierung der Abruf- und Wiederbeschaffungszeiten.
- Schnelle Reaktion auf kurzfristige Veränderungen im Bedarf.
- Aktive Verwendung des von Knorr-Bremse versendeten Forecasts.
- Verlagerung der Bestandsver-antwortung auf den Lieferan-ten.
- Gegenseitiges Verständnis für die Prozesse.
- Nachhaltige Prozessverbesserungen.
Den Belieferungsmodellen liegen die bekannten plan-, verbrauchs- oder produktionsgesteuerten Dispositionsstrategien zugrunde. Neben klassischen Lieferplänen und C-Teile-Kanban, werden auch Supplier Managed Inventory (SMI) per Internetportal, Kanban für A-und B-Teile oder eine C-Teile Kommissionierung pro Fertigungsauftrag verwendet (siehe Abbildung).
Belieferungsmodelle bei Knorr-Bremse: Übersicht Die Besonderheit liegt in der Vielzahl der darauf basierenden entwickelten Standardprozesse, um die Eigenschaften der Artikel- und Bedarfsstrukturen gleichermaßen zu berücksichtigen. Um das jeweilige optimale Belieferungsmodell für ein Kaufteil auszuwählen, werden neben der klassischen ABC / XYZ Analyse auch der Stückpreis, die Bedarfsmenge, das Jahresbeschaffungsvolumen, die Anzahl der zukünftigen Bedarfe, das Gewicht pro Stück und schließlich auch die logistische Leistungsfähigkeit des Lieferanten berücksichtigt.
Das dann festgelegte Modell wird anhand der Kriterien regelmäßig überprüft und ggf. an veränderte Rahmenbedingungen angepasst. Auf diese Weise wird erreicht, stets mit dem besten Modell die Materialversorgung bei geringen Beständen sicherzustellen. Zu den jeweiligen Modellen stehen auch diverse (SAP)-Tools zur Verfügung, um die Zusammenarbeit zwischen Disposition und Lieferant zu vereinfachen und zu automatisieren. Punkte wie zum Beispiel die Übertragung eines uploadfähigen Forecasts für Lieferpläne oder Auftragsbestätigungen (für die wenigsten Lieferanten ist eine EDI-Verbindung sinnvoll) gehören ebenfalls zu den Tools wie interne Möglichkeiten zur Qualitätsüberprüfung der Stammdateneinstellungen in SAP. Die Weiterentwicklung der Modelle erfolgt dabei ganz gezielt in enger Abstimmung mit den Lieferanten. So wurde zum Beispiel das SMI-Modell auf Basis der SAP-Lösung SNC (Supply Network Collaboration) mehrfach angepasst und erweitert, um hier eine optimale Verwendbarkeit durch die Lieferanten zu erzeugen. Dieser Blumenstrauß an Modellen und Tools führt natürlich zu einem hohen Wissens- und Schulungsbedarf sowohl intern bei Einkäufern und Disponenten als auch bei den Lieferanten. Insbesondere Lieferanten mit geringem logistischem Know-how benötigen eine Weile, bis die Vorteile der der Modelle zum Tragen kommen und sie die Prozesse standardisiert anwenden können.
Schwierig gestaltet sich die Messung der Vorteile einzelner Belieferungsmodelle anhand harter finanzieller Fakten entsprechend eines Total Cost Ansatzes. Es konnte jedoch festgestellt werden, dass die Anwendung von verschiedenen Belieferungsmodellen die Ver-fügbarkeit und Flexibilität durchaus erhöht haben.
Neben den mittlerweile standardisierten Abläufen zur Auswahl und Verwendung des jeweiligen InSupply Belieferungsmodells, bilden sich der gezielte Wissensaufbau und die intensivierte Zusammenarbeit zur Entwicklung der Lieferanten zum zweiten Standbein einer erfolgreichen Beschaffung und Beschaffungslogistik heran. Neben Technologie- und Entwicklungspartnerschaften und der Qualifizierung der Lieferanten über die effiziente Anwendung der verschiedenen InSupply Belieferungsmodelle wird ein besonderes Programm zur Lieferantenentwicklung angewendet.
Für das Lieferantenentwicklungsprogramm werden in den einzelnen Knorr-Bremse Standorten und unter Einbindung des strategischen Einkaufs sowie der Qualität jedes Jahr einige Lieferanten ausgewählt, deren Lieferperformance, logistische Fähigkeiten und Qualität nachhaltig verbessert werden müssen. Ziel ist, ein gegenseitiges Verständnis für die Prozesse zu vermitteln, und gemeinsam eine nachhaltige Prozessverbesserung zu erarbeiten und umzusetzen. Wichtig ist hierbei der partnerschaftliche Ansatz. Es werden in einem ersten Workshop die langfristigen Ziele definiert und das gegenseitige Commitment eingeholt. Gemeinsam werden die Prozesse des Lieferanten detailliert analysiert und Schwachstellen aufgezeigt. Dies kann idealerweise so weit führen, dass auch die Schnittstelle zu Unterlieferanten analysiert und verbessert wer-den muss. Dies ist ohne starke Unterstützung des Managements auf Lieferantenseite nicht möglich, daher wird auch das Top-Management eingebunden. Die Überzeugung zur aktiven Einbringung von Zeit und Mitarbeitern kann am einfachsten durch das Aufzeigen von win-win-Situationen erreicht werden. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist auch die Zusammensetzung eines interdisziplinären Teams bestehend aus Einkäufern, Disponenten, Qualitätsmanagern und Logistikern auf beiden Seiten sowie auch Key Account und Kundenservice auf Lieferantenseite. Die Herausforderungen liegen in der Verbesserung der Effizienz der Abstimmungsprozesse sowie die Sicherstellung einer nachhaltigen hohen Performance auch ohne intensive Zusammenarbeit im operativen Geschäft.
3. Ausblick
Für die Knorr-Bremse gilt es in Zukunft, die Belieferungsmodelle im Schienenfahrzeugbereich weiter zu standardisieren, zu vereinfachen und über Europa hinaus an anderen Standorten die Gruppenstandards zu etablieren. Auch die ersten Erfahrungen mit der Zusammenarbeit zur Lieferantenentwicklung werden auf andere Standorte übertragen und müssen konsequent weiterentwickelt werden. Mit diesen Methoden aus dem Beschaffungsumfeld wird Knorr-Bremse den logistischen Anforderungen seiner Kunden nach höherer Flexibilität und kürzeren Lieferzeiten auch in Zukunft gerecht werden können.
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BME-Symposium::
Der Einkauf steuert den Gewinn
Prof. Dr.-Ing. Nicolas P. Sokianos
Den über 2000 Teilnehmern der Konferenz wurde einiges geboten; eine Vielzahl von Plenumsvorträgen und kleineren Fachsequenzen sowie Beiträge der obligatorischen Politiker (wie beim BVL Kongress auch). Deutliche Akzente setzte der Beitrag von CFO Müller, seines Zeichens Finanzvorstand beim Baukonzern Bilfinger & Berger, der sich mit einer Reihe von Maßnahmen zum internationalen Service-Unternehmen wandelt.
Die Botschaft von Herrn Müller: "Wir steuern über den Einkauf den Gewinn des Konzerns"! Die verwendeten Unterlagen von Müller, eine Version der DuPont Matrix, stellen plastisch dar, was ein effizienter Einkauf alles bei ROI bewegen kann und wie sich das ganze Sparpotential auf die Bilanz auswirkt. Der Konzern kauft einen großen Teil seines Leistungsvolumens ein.
Die Optionen des Finanzprofis, aus dem global Sourcing einen Gewinnmotor zu generieren, gehen noch weiter: Erzielung der höheren Gewinne in Ländern mit geringerer Steuerbelastung, alles legal und effizient.
Der Beitrag von WMF setzte die Akzente auf das internationale Geschäft, sehr stark in Asien, speziell in China. Mit Technologie-Transfer auf Basis von Vertrauen, das sich auf eine über 20-jährige Zusammenarbeit verlässt. Auf die Frage, ob denn nicht Gefahr für WMF droht, wenn die Chinesen die Firma entschlossen angreifen, antwortet der Zuständige: "Wir setzen auf die Kraft unserer Marke, die für Qualität bei den Kunden bürgt. Es könnte aber sein, dass WMF im Ganzen von den Chinesen aufgekauft wird."
Der diesjährige Preis des BME ging an die Deutsche Bahn, die BMW auf Platz 2 verwiesen hat; das will schon etwas heißen. Der zuständige Vorstand für Technik und Einkauf, Dr. Kefer, berichtete mit seinen Mitarbeitern von einem sehr starken Programm für Innovation und Effizienz im Einkauf, das die Jury als Quantensprung für diesen ehemals gemächlichen Staatsapparat eingestuft hat. Die Aktivitäten der Deutschen Bahn in Richtung Zukunft (eine Verdoppelung des Umsatzes auf 70 Milliarden ist angepeilt), brauchen einen Einkauf, der auf Augenhöhe mit den Fachabteilungen operiert und Mehrwert schafft.
Der Vortrag von Beiersdorf (Nivea) hat auf ein diffiziles Thema hingewiesen: Überprüfung der Lage der Rohstofflieferanten hinsichtlich der Situation im gewerblichen Rechtsschutz, "Freedom to operate." Bemerkenswert ist die Initiative des BME, ein von der Krise gebeuteltes europäisches Land, praktisch zu unterstützen: Portugal, mit einem Stand beim Symposium vertreten, entsendet Spezialisten zu BME Mitgliedsfirmen in Deutschland, die sich in einer Art Praktikum besonderen und gefragten Themen zuwenden können.
Weitere Infos: www.bme.de.
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